Wirkstoffe

Vor ungefähr 20 Jahren wurde das körpereigene Canna­binoid­rezeptorensystem (Endo­­cannabinoid-System) entdeckt. Diese Entdeckung war Ausgangs­punkt für eine intensive Erforschung der Hanf­pflanze zu medi­zinischen Zwecken.

Die Hanfpflanze Cannabis Sativa enthält eine erhebliche Anzahl sogenannter Phyto­­cannabinoide (ca. 85) aus der Gruppe der Terpenphenole, die bisher in keiner anderen Pflanze entdeckt wurden (Quelle: Wikipedia, m.w.N.). Daneben enthält Hanf auch eine Vielzahl von Nicht-Cannabinoiden, über 120 verschiedene Terpene und 21 Flavonoide (a.a.O.).

Das am meisten untersuchte Cannabinoid (a.a.O) ist sicher Delta-9-Tetrahydrocannabinol (Delta-9-THC) oder einfach nur THC. Wenn im allgemeinen Sprachgebrauch von Medizinalhanf die Rede ist, bezieht sich der Diskurs im Ausgangspunkt und im Wesentlichen auf den Wirkstoff THC.
Von der Besprechung weiterer Cannabinoide oder anderer Stoffe wird an dieser Stelle aus arznei­mittel­rechtlichen Gründen (Stichwort: „Prä­sentations­arznei­mittel“) abgesehen.



Anwendungsgebiete

Gemäß einer Auskunft der Bundesregierung sind die den Ausnahme­erlaubnissen zugrunde liegenden Diagnosen vielfältig. Die Hauptgruppe stellen z.Zt. (Stand Juni 2016) Schmerzpatienten (inkl. schmerzhafte Spastik bei multipler Sklerose) mit einem Anteil von ca. 62 Prozent dar. Die nächstgrößere Gruppe sind ADHS-Patienten mit einem Anteil von ca. 12 Prozent, gefolgt von Patienten mit Depressionen (ca. 6 Prozent), Inappetenz/ Kachexie (ca. 4,5 Prozent), Tourette-Syndrom (ca. 4 Prozent), Darmerkrankungen (ca. 4 Prozent), Epilepsie (ca. 3,5 Prozent), sonstige psychiatrische (ca. 3 Prozent) bzw. sonstige neurologische (ca. 0,5 Prozent) Erkrankungen und Lungenerkrankungen (ca. 0,5 Prozent).



Rechtslage

Lange Jahre war eine Verschreibung getrockneter Cannabisblüten in Deutschland gar nicht und zuletzt nur in Ausnahmefäl­len möglich. Die Erteilung einer solchen Ausnahmeerlaubnis richtete sich nach § 3 Abs. 2 BtMG.

Seit dem 10.3.2017 ist eine Verschreibung getrockneter Cannabisblüten generell rechtlich möglich.  Nun ist schwerwiegend kranken Patienten, die keine adäquate Therapiealternative haben (denen „eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung im Einzelfall nicht zur Verfügung steht“), erlaubt, nach einer entsprechenden Indikationsstellung durch den Arzt (Stichwort: „Therapiefreiheit“) getrocknete Cannabisblüten und Cannabisextrakte in standardisierter Qualität auf ein Rezept in Apotheken zu erhalten.

Durch eine Änderung im Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) wurde u.a. auch eine entsprechende Erstattungs­möglichkeit durch die Krankenkassen für Patientinnen und Patienten der vorge­nannten Gruppe geschaffen. Die Erstattung ist an eine wissenschaftlich begleitete Datenerhe­bung geknüpft, um weitere Erkenntnisse zur Wirkung der in Rede stehenden Cannabisarz­neimittel zu erlangen.



Ausblicke

Konnten sich in Deutschland bislang nur gut 1.000 Patienten mit einer Sondergenehmigung medizinische Cannabisblüten auf eigene Kosten verschreiben lassen, dürfte diese Zahl in den nächsten Jahren deutlich anwachsen, zumal jetzt die Krankenkassen in der Regel die Kosten zu tragen haben werden. Auch wenn die Einschätzung eines Potentials von einer Million Cannabis-Patienten (Grotenhermen) recht hoch gegriffen zu sein scheint, die Annahme der Bundesregierung von 5.000 bis 10.000 Patienten dürfte zurückhaltend sein. Letztlich wird sich der Bedarf aus dem Zusammenspiel der tatsächlichen Nachfrage durch Patienten, der Verschreibungspraxis der Ärzte sowie der Verwaltungspraxis der Krankenkassen und Behörden ergeben.

Möglicherweise lassen Zahlen aus anderen Ländern wie beispielsweise Israel, etwa 26.000 Patienten (bei rund 8 Mio. Einwohnern), oder Kanada, mehr als 100.000 Patienten (bei gut 35 Mio. Einwohnern), erahnen, wie hoch der praktische Bedarf sein könnte. Allein die Gruppe der Schmerzpatienten, eine der Hauptzielgruppen für eine Cannabis-Anwendung, ist mit etwa 17% aller Deutschen oder jedem dritten Haushalt in Europa sehr groß.